Erklärung des AWO Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern zur Corona-Krise

Die Kraft der Solidarität

Uwe Kunik Landesvorsitzender Arbeiterwohlfahrt Mecklenburg-Vorpommern

Die Ungewissheit ist groß. Und niemand weiß wie lange noch. Aber eins ist jetzt schon sicher. Die Kraft in der Krise ist die Solidarität. Überall im Land erleben wir, dass wir uns aufeinander verlassen können. Die große Mehrheit hält sich in dieser Ausnahmesituation an die Regeln. Um selbst gesund zu bleiben, aber auch um andere, für die das Virus lebensgefährlich sein kann, zu schützen. Und bestimmt spielt dabei auch Verantwortungsgefühl für das Gesundheitssystem und die Gesellschaft insgesamt eine Rolle.

Familien rücken enger zusammen. Gemeinsam zuhause oder über Telefon und Internet. So werden auch Freundschaften aus der Ferne gepflegt. Es ist unübersehbar, dass wir mehr Zeit als sonst im Alltag miteinander verbringen. Wir skypen, chatten, texten, senden Sprachnachrichten. Wir denken aneinander. Wir wollen wissen, wie es dem anderen geht. Und schreiben immer wieder: bleib gesund.

Und das betrifft nicht nur die eigenen Angehörigen und Freundeskreise. Nachbarn gehen für Nachbarn einkaufen. Pflegeheime bekommen Kuchenspenden. Kinder malen Postkarten für ihre Kita-Erzieherinnen, die sie jetzt nicht sehen können. Es gibt so viele kleine Gesten der Rücksicht und Aufmerksamkeit.

Natürlich gibt es auch Geschichten von Egoismus und Ignoranz. Und wahrscheinlich schaffen es solche Aufreger-Stories auch eher in die Nachrichten als die vielen guten Beispiele. Aber das ist nicht der Alltag im Land. Die meisten Menschen verbringen die Tage nach dem Prinzip: Abstand ist die neue Nähe. Und unübersehbar ist, nach Jahren, wo so viel von Spaltung die Rede war, es gibt in dieser Situation tatsächlich eine neue Nähe.

Die Träger der sozialen Arbeit stehen ihrerseits im Zentrum der Corona-Krise. Gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen im Gesundheitswesen. Viele in Kliniken, Praxen und in der Altenpflege arbeiten inzwischen an ihren Grenzen. Sie tun, was in ihrer Macht steht für Betroffene. Und sie sind selbst unmittelbar betroffen. Pflege geht nicht von zuhause. Sie helfen mit einem hohen persönlichen Risiko.

Das ist die Kraft der Solidarität. In der Pflege fällt sie besonders ins Auge. Aber das gilt für alle Felder der sozialen Arbeit. In diesen Tagen haben wir überall Ausnahmesituationen. In der Kinder- und Jugendhilfe, in der Behindertenhilfe, in der Beratung, im zivilgesellschaftlichen Engagement. Es ist nicht einfach das „System“, was funktioniert. Gefühle kann man schlecht in Stellenbeschreibungen vereinbaren. Immer sind es die Menschen, die mehr machen als ihren Job.

In der Krise erweist sich, was uns verbindet, wie wir wirklich sind. Und vielleicht stimmt es ja, dass es keine Rückkehr zu Vor-Corona-Zeiten gibt. Spricht nicht viel dafür, dass wir uns gerade verändern? Dass wir nicht mehr ganz dieselben sind, wenn es vorbei ist? Mit dieser Erfahrung, dass wir als Gesellschaft zusammenhalten, wenn es hart auf hart kommt.

Sicher ist jetzt schon, die AWO ist da, wo sich die Risiken und Sorgen der Einzelnen und die Interessen der Gesellschaft begegnen. Dieses öffentliche Vertrauen verdienen wir uns gerade jeden Tag. Auf die AWO ist Verlass. Unsere Arbeit in den Einrichtungen und Diensten ist als Hilfe und soziale Dienstleistung konkret. Aber sie ist auch Engagement für diese Gesellschaft, die sich in der Krise verändert. Die sich gerade daran erinnert, wie viel wir gemeinsam haben. Dass wir eben doch eine Gesellschaft sind und nicht nur lauter Einzelne, wo jeder sich nur für sich selber interessiert und seine Verbitterung pflegt.

Und wie es aussieht, sie ist wahrscheinlich auch in Zukunft nicht zu unterschätzen: die Kraft der Solidarität.

Uwe Kunik
Landesvorsitzender
Arbeiterwohlfahrt Mecklenburg-Vorpommern
Schwerin, 30. März 2020

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