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Hilfe für Schuldner im Landkreis Ludwigslust-Parchim

Marita Dinn Marita Dinn

Weit mehr als sechseinhalb Millionen Bundesbürger haben finanzielle Schwierigkeiten. Viele von ihnen können weder ihren Lebensunterhalt, geschweige denn neue Rechnungen noch ihre Schulden bezahlen. Hilfe beim Ausstieg aus dieser Schuldenspirale bietet auch die AWO an, z. B. im Landkreis Ludwigslust-Parchim. Die Schuldnerberatung ist eine Trägerkooperation der Kreisverbände der AWO und des DRK.

Die Schuldnerberatung Ludwigslust Parchim

Jobverlust, Trennung oder eine Scheidung. Auch eine Krankheit oder der Tod von Angehörigen können aufgrund der zusätzlichen finanziellen Belastungen dazu führen, dass Menschen mit ihren monatlichen Einnahmen nicht mehr auskommen. Scham, Überforderung, Verdrängung. Viele trauen sich nicht mal mehr ihre Briefkästen zu öffnen, aus Angst vor den gelben Briefen – bis gar nichts mehr geht. Den meisten kostet es Überwindung, sich an eine Schuldnerberatung zu wenden. Aus Schamgefühl wollen sie dann auch nicht darüber öffentlich reden, sagt Anita Krüger, die Leiterin der Schuldnerberatung in Ludwigslust. „Die meisten Klienten melden sich bei uns selber, weil sie den finanziellen wie psychischen Druck haben, etwas an ihrer Situation zu verändern.“ Andere werden vom Jobcenter geschickt, oder die Bank rät wegen Kontenpfändungen zu einer Beratung. Da heißt es erst einmal zuhören und schauen, was diese Menschen möchten. „Wir bieten das Fachwissen an“, sagt Marita Dinn, die Juristin der Schuldnerberatung, „aber ich muss jedes Mal individuell schauen, was benötigt wird. Mit einem vorgefertigten Schema geht es nicht.“

Wir sind hier, um den Leuten zu helfen und nicht, um unsere Schultern auszuleihen.

Schuldnerberatung ist Hilfe bei der Armutsbekämpfung, darüber hinaus betrifft es auch die Angehörigen, Lebens- oder Ehepartner, Kinder etc. „Dadurch ist so eine Schuldnerberatung auch immer etwas langfristiges, gerade auch im Hinblick auf die Altersarmut“, sagt Dinn. Vor zehn Jahren habe man uns noch belächelt, als wir auf die steigende Altersarmut hingewiesen haben, wirft Anita Krüger ein. „In der täglichen Arbeit war das aber schon damals abzusehen.“

Die Altersstruktur Die größte Gruppe der Ratsuchenden sind wie in den Vorjahren die 28 bis 45-jährigen, gefolgt von den 46 bis 64-jährigen. Das sind die Klienten, die voll im Erwerbsleben stehen sollten und Familie haben bzw. Unterhaltsverpflichtungen.
868 Fälle, das ist schon eine Hausnummer, denn wir haben ja keine drei Vollzeitstellen.
Anita KrügerAnita Krüger
Die Schuldnerberatung Ludwigslust Parchim

Im vergangenen Jahr kamen 868 Ratsuchende in die Schuldnerberatung. Kurzeitberatung, Langzeitberatung und Altfälle, die von Jahr zu Jahr wegen der Schuldenregulierung übernommen werden müssen. „868 Fälle, das ist schon eine Hausnummer, denn wir haben ja keine drei Vollzeitstellen“, so Krüger, da müsse politisch, auf Bundesebene etwas geschehen, was die Finanzierung betrifft. „Wir haben zum Beispiel bei einem Insolvenzverfahren für einen Klienten 5,5 Stunden zur Verfügung. Ich kenne keinen Fall, der mit 5 ½ Stunden im Jahr fertig ist“, ergänzt Marita Dinn.

Hilfe suchen alle Altersgruppen, Menschen aus allen Bildungs- und sozialen Schichten. Da ist der Bauunternehmer, der Angestellte hatte, mit sechsstelligen Verbindlichkeiten oder die Hausfrau, die mit 3.000 Euro Schulden schon nachts nicht mehr schlafen kann.

Die menschliche Psyche könne irgendwann nicht mehr, sagt Marita Krüger. „Ganz viele kommen mit einem großen Stapel Briefe, die sie dann erst bei uns öffnen.“ Das Nervenkostüm leidet, das Privatleben, die Arbeit, Freundschaften gehen in die Brüche. Dazu kommen Alkohol und härtere Sachen, „dass haben wir hier auch“. Die Schuldnerberatung trägt dazu bei, aus diesem Teufelskreis herauszukommen. Nicht selten sitzen den Beraterinnen Menschen gegenüber, die in Tränen aufgelöst sind. Ist das nicht manchmal ein beschwerlicher Spagat zwischen Empathie und professioneller Distanz? „Mitgefühl ja, aber ich helfe ihnen nicht, wenn ich sie einfach nur in den Arm nehme und sage, die Welt ist so schrecklich“, betont Marita Dinn. „Tatsächliche Hilfe ist, den Leuten einen Weg aus diesem Dunkel zu zeigen und mit ihnen diesen Weg gemeinsam zu gehen. Wir sind hier, um den Leuten zu helfen und nicht, um unsere Schultern auszuleihen.“ Taschentücher haben die beiden trotzdem in der Schublade ...

Die Familiensutiation Erstmals seit vielen Jahren sind weniger alleinstehende Frauen in die Beratung gekommen, als im Vergleich zu alleinstehenden Männern bzw. Ehepaaren/Lebensgemeinschaften.

Fotos: AWO Landesverband
Grafiken: Schuldnerberatung Ludwiglust-Parchim