Gewaltfreiheit & Geschlechtergerechtigkeit

 

Liebe Leserinnen und Leser,

Ulrike Bartel Vorsitzende des Landesfrauenrates M-VUlrike Bartel Vorsitzende des Landesfrauenrates M-V

„Gewalt gegen Frauen ist eine Ausdrucksform der historisch gewachsenen ungleichen Machtverhältnisse zwischen Männern und Frauen, die zur Beherrschung und Diskriminierung der Frauen durch die Männer geführt und den Frauen volle Chancengerechtigkeit vorenthalten haben.“

Wenn wir Gewalt gegen Frauen nachhaltig bekämpfen, ja verhindern wollen, reicht es nicht aus, nur Betroffene zu schützen und zu unterstützen.

Diese Tatsache wurde von der UNO-Generalversammlung 1993 mit der Erklärung über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen anerkannt. Die Staaten sind damit aufgefordert, Gewalt gegen Frauen ernst zu nehmen und zu bekämpfen, wodurch es seit den 1990er Jahren zu einer Zunahme an nationalen und internationalen Maßnahmen und Vereinbarungen gekommen ist. Eine aktuelle Errungenschaft ist das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, der sogenannten Istanbul-Konvention, die von Deutschland 2018 ratifiziert wurde. Auch hier findet sich der eingangs zitierte Satz wieder.

Wenn wir uns den Satz genauer anschauen, erschließen sich uns mindestens drei Ebenen:

  • Gewalt gegen Frauen stellt ein gesellschaftliches Problem dar, das in hohem Ausmaß stattfindet. Es bedarf der gesamtgesellschaftlichen Anstrengung, um diese Gewalt zu bekämpfen. Die Erfahrungen zeigen z.B., dass ein Frauenhaus allein nicht ausreicht, um bei häuslicher Gewalt zu helfen. Es braucht auch den Hausarzt, die Polizistin, den Anwalt, die Arbeitgeberin, den Erzieher, die Lehrerin, den Therapeuten, die Gleichstellungsbeauftragte, den Richter, die Politikerin. Und vor allem Nachbarn, Arbeitskollegen, Angehörige und Freundinnen.
  • Gewaltbetroffene Menschen haben weniger Möglichkeiten und Chancen zur Selbstverwirklichung, zur gleichberechtigten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, da sie häufig ihre ganzen verbliebenen Ressourcen für die Bewältigung der traumatischen Gewalterfahrungen benötigen. Deshalb brauchen sie die Unterstützung und den Schutz durch den Staat und die Gesellschaft.
  • Und wenn wir Gewalt gegen Frauen nachhaltig bekämpfen, ja verhindern wollen, reicht es nicht aus, nur Betroffene zu schützen und zu unterstützen. Vielmehr müssen wir an den ungleichen Machtverhältnissen zwischen den Geschlechtern arbeiten. Dafür engagieren sich viele NGO´s, auch in unserem Bundesland, wie z. B. der Landesfrauenrat M-V. In unserer politischen Lobbyarbeit zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen konzentrieren wir unser Engagement auf drei grundlegende Bereiche:
    • das uneingeschränkte Selbstbestimmungsrecht von Frauen über ihren Körper und ihre Sexualität;
    • die eigenständige Existenzsicherung von Frauen, unabhängig vom Einkommen der Partner*innen;
    • sowie die Auflösung von geschlechtsspezifischen Rollenstereotypen, die Männer und Frauen daran hindern, sich selbst zu verwirklichen.
Logo des Landesfrauenrat Mecklenburg-Vorpommern

Letztendlich ist das Ausmaß von Gewalt gegen Frauen ein Gradmesser, wie es um die Geschlechtergerechtigkeit einer Gesellschaft steht. Solange die übergroße Mehrheit der Betroffenen von häuslicher und sexualisierter Gewalt immer noch Frauen sind; und diese Gewalt zum überwiegenden Großteil von Männern ausgeübt wird, kann von Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern nicht gesprochen werden.

Ulrike Bartel

Vorsitzendes des Landesfrauenrates M-V
www.landesfrauenrat-mv.de