Drängen wir ans Licht!

 

Liebe Leserinnen und Leser,

Barbara König, Staatssekretärin in der Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und GleichstellungBarbara König, Staatssekretärin in der Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung bei ihrem Festvortrag.

Freiheit. Gerechtigkeit. Solidarität. Toleranz. Gleichheit. Die Arbeiterwohlfahrt trägt seit 100 Jahren ihre Werte in sich. Durchgehend. Immer. Dennoch konnten wir sie einmal 12 Jahre lang und einmal 40 Jahre nicht leben. Immer dann, wenn es in Deutschland keine Demokratie gab. Demokratie ist die Voraussetzung für die Werte der AWO. Deshalb heißt es auch in unserem Grundsatzprogramm: „Wir fördern demokratisches und soziales Denken und Handeln. Wir haben gesellschaftliche Visionen.“

Doch unsere Demokratie ist in Gefahr. Populismus, Rassismus, Rechtsextremismus. Das sind zwar keine neuen Phänomene, schon gar keine nur „des Ostens“. Aber eine lebendige, sich auch verändernde Demokratie muss immer wieder neu erklärt, vermittelt, gelernt und Ja: auch verteidigt werden.

Was heißt das 2019? Was heißt das für die Politik? Für unsere Arbeiterwohlfahrt? Ich glaube, es sind 3 Dinge:

  1. eine kluge, auskömmlich finanzierte und überzeugende Sozialpolitik. Menschen, die ohne Zukunft und abgehängt sind, wählen nicht mehr – oder die Rechten. Nur Chancen auf ein selbstbestimmtes Leben in (bescheidenem) Wohlstand bereiten einen fruchtbaren Boden für Demokratie.
  2. flächendeckende, integrierende und nachhaltige Jugendarbeit. 1. Denn unsere AWO-Kitas lehren uns, dass wir „Kinderstuben der Demokratie“ schaffen müssen, auch in Schulen und in der beruflichen Bildung.
  3. niedrigschwellige, gut erklärte, wirkungsvolle Teilhabe. 1. Nur ein Volk, das „Selbstwirksamkeit“ und zugleich kollektive Veränderungsmacht erfährt, wird demokratisch sein.

Die AWO als Mitgliederverband organisiert die Teilhabe. Als Sozialunternehmen macht sie praktische Sozialpolitik in den Kitas, in den Pflegeheimen, in der Schuldnerberatung, in der Migrationsarbeit und als politischer Verband entwickelt sie Konzepte für die soziale Demokratie. All das müssen wir mit großer Ehrlichkeit machen. Wir müssen es transparent tun. Mutig müssen wir sowieso sein. Und wir müssen es mit Empathie und Liebe tun: mit Herz. Alles zusammen nennen wir „Haltung“.

Eine lebendige, sich auch verändernde Demokratie muss immer wieder neu erklärt, vermittelt, gelernt und Ja: auch verteidigt werden.

Aber wir sind Menschen, mit Schwächen, mit Eitelkeiten, ja auch mit Fehlern. Wir stehen dazu. Ich glaube, genau das ist gefragt, um die Demokratie zu stärken. „Meine“ Berliner AWO hat Fehler gemacht. Wir konnten nicht gut mit Geld umgehen. „Eure“ AWO in Mecklenburg-Vorpommern hat Fehler gemacht. Einige konnten vielleicht zu gut mit Geld umgehen.

Aber: wir haben es zugegeben, waren transparent und haben aufgeklärt. Vor allem: wir haben Konsequenzen gezogen. Das nennen wir Haltung. Und ich glaube fest daran, dass uns das unsere Mitglieder, dass uns das die Menschen abnehmen. Wir alle brauchen eine starke Arbeiterwohlfahrt.

Marie Juchacz erinnerte daran nach dem Ende der Nazi-Diktatur:
„Es ist das Große in dem bitteren Erleben unserer Zeit …, dass keine Gewalt, und sei sie noch so brutal, die Idee töten kann. Ideen und Gedanken sind wandlungsfähig …, aber sie sterben nicht. Sie werden am Leben erhalten durch Impulse, die in uns lebendig sind und immer ans Licht drängen.“

Drängen wir also ans Licht!

Mit herzlichen Grüßen
Barbara König