Interview mit Raifeh Al Masri

„Rostock ist eine so schö­ne Stadt. Ich füh­le mich wohl hier. Ich möch­te blei­ben und etwas auf­bau­en.“ Raifeh Al Masri ist voller Op­ti­mis­mus, wenn sie von ihrer ne­uen Hei­mat spricht. Als sie im Som­mer 2014 in Mecklen­burg-Vor­pommern an­kam, war sie am En­de ihrer Kräf­te und in Sor­ge um ih­ren Sohn, den sie in Syrien zu­rück­lassen mus­ste.

Frau Al Masri, Sie sind Jour­na­listin und Auto­rin. Mus­sten Sie Syrien des­halb ver­las­sen?

Ja. Für uns wur­de es zu­neh­mend ge­fähr­licher seit Beginn der Re­volution 2011. Ich habe mit Kolle­gen jahre­lang heim­lich Radio­sen­dun­gen pro­du­ziert und per In­te­rnet ge­sen­det. Wir ha­­ben auch über die Flucht un­ser­er Lands­leute be­rich­tet. Wir woll­ten die Wahr­heit er­zäh­len. Mein Haus in Da­mas­kus wurde mehr­fach durch­sucht. Sie haben Be­weise ge­sucht. Ich wus­ste, dass ich unter Be­ob­ach­tung stand.

Wie sind Sie letzt­lich nach Deutsch­land ge­kommen?

Ich habe zu­nächst in Kairo ge­lebt und ge­ar­be­itet. 2014 war auch das nicht mehr sicher. Das Schlimm­ste aber war: ich musste mei­nen Sohn in Syrien zu­rück­lassen. Ich habe die Flucht vor allem ge­wagt, um ihn zu mir zu ho­len. Sonst wäre ich wohl nicht auf dieses höl­zerne Schiff ge­stie­gen. Es war viel zu klein für uns alle. Wir wa­ren mehr als 500 Leute an Bord, viele Frau­en da­run­ter und Kin­der. 12 Tage trie­ben wir auf dem Meer, be­vor uns ein größeres Schiff auf­nahm und nach Itali­en bra­chte. Von dort bin ich über Öster­reich, Mün­chen und Ham­burg nach Rostock ge­kom­men.

Wie war diese erste Zeit in Rostock?

Ich hatte Mühe, mich zu ver­ständi­gen. Bei der Aus­länder­be­hörde, im Job­center:

ich musste viel er­le­di­gen und nicht über­all spra­chen die Men­schen eng­lisch. Ich habe mit Hän­den und Füßen ge­redet und manch­mal auch unter Tränen. Eine große Hil­fe war und ist Herr Segert vom Mi­gr­ati­ons­dienst der AWO in Rostock. Mit ihm kann ich eng­lisch re­den, er ist sehr ge­duldig, hilft bei allen For­ma­li­täten und en­ga­giert sich für uns.

Für uns ... ?

Ja. Mein Sohn ist mittler­weile bei mir. Als ich ihn nach neun Mo­naten in Ham­burg ab­holen kon­nte, war ich so glück­lich und er­leich­tert. Er konnte zu­letzt in Sy­rien nicht mehr aus dem Haus. Es hat eine Weile ge­dau­ert, bis er sich wie­der frei fühl­te. Jetzt lernt er am Gymna­sium, spricht schon gut Deutsch und hat neue Freun­de ge­funden.

Was wün­schen sie sich für das Zu­sammen­leben mit den Men­schen hier im Land?

Dass wir mit­ein­an­der re­den und uns besser kennen­lern­en. Ich weiß, dass es auch schwer für die deut­schen Men­schen ist. Sie neh­men eine Men­ge auf sich, um uns Sicher­heit zu ge­ben. Und ich möch­te, dass alle ver­ste­hen: dies­er Krieg zwingt die Men­schen, aus Syrien fort­zu­gehen. Wir haben Vieles zurück­ge­lassen: Freun­de, Fa­milie, Er­inner­un­gen. Aber ich möch­te nach vorn schau­en. Syrien hat eine so rei­che Ge­schich­te und Kul­tur, wir ha­ben eine wun­der­bare Küche und Deutsch­land ebenso. Ich glau­be fest da­ran, dass da­raus in den nächs­ten Jahren etwas wirkl­ich Gutes ent­ste­hen kann. Ich be­mühe mich gera­de, in Rostock ein Kultur­cafe zu er­öff­nen. Mit Büchern, Musik und gu­tem Essen. Ein Raum, in dem sich die Men­schen aller Her­kunft tref­fen und aus­tau­schen können.

Mit Raifeh Al Masri sprach
Birgit Schröter

Raifeh Al Masri

Raifeh Al Masri, 43,
Journalistin und Autorin
aus Syrien lebt mit ihrem
Sohn jetzt in Rostock
Lütten Klein

Ich weiß, dass es
auch schwer für die
deutschen Menschen ist.
Sie nehmen eine Menge
auf sich, um uns
Sicherheit zu geben.

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