Pflege in Zeiten von Corona

Kontaktverbot und doch ganz nah beeinander - aus Ich und DU wird WIR  

Bericht aus dem AWO Seniorenpflegeheim "Krakow am See"   

In Zeiten der Corona-Krise entsteht viel Missmut, Traurigkeit und in weiten Teilen Deutschlands auch Wut. Wut über die Hamsterkäufe und der Mangel an Schutzausrüstung, Traurigkeit über das Kontaktverbot und Missmut über einige politische Entscheidungen.

Aber wir vom AWO Seniorenpflegeheim aus Krakow am See möchten auch mal etwas Positives zum derzeitigen Anlass beitragen.

Seit zwei Wochen ist unser Heim nun für Besuchsverkehr gesperrt, uns fehlt es an vielen Hygienematerialien wie überall. Täglich verfolgen wir die aktuellen Zahlen und gedenken der bereits Erkrankten und Verstorbenen. Wir sind unsicher, haben eine Familie und sorgen uns auch um unsere Kinder, Enkel, Männer, Frauen und ja der Eine oder Andere vielleicht auch um seine Existenz.

Jedoch ist uns in den letzten Tagen ein Bewusstsein entstanden, wie es lange keines mehr gab. Unsere Werte haben sich verschoben, wir sind näher zusammengerückt und viel mehr im Gespräch. Ja wir lachen sogar mehr, und haben Zeit für unsere Bewohner.

Unsere Strukturen haben wir neu überdacht, angepasst und für diese Zeit optimiert. In den Pausen wird diskutiert, jeder bringt etwas Leckeres mit. Bei der Zimmerversorgung entstehen Gespräche mit unseren Bewohnern über alte Zeiten, über Familie, Zusammenhalt und bereits überstandenes Leid. Das "Ich" rückt in den Hintergrund.

Ein fröhliches, motivierendes WIR-Gefühl kommt auf: "Braucht ihr noch Hilfe? Kann ich Dir etwas abnehmen? Brauchst Du mal einen Tag frei, ich würde einspringen? Auch das Interesse aneinander ist gestiegen. Was machen Deine Eltern? Hast Du eine Notbetreuung für Dein Kind?"

Bewohner die sich vor Tagen noch um die Marmelade am Frühstückstisch stritten, geben einander Halt und Zuversicht, sprechen sich ab, wann wer den Fahrstuhl nimmt, um mal eine halbe Stunde im Hof zu spazieren. Sie berichten uns von langen Telefonaten mit ihren Lieben und freuen sich über die regelmäßigen kleinen "Bescherungen" die die Angehörigen am Haupteingang abgeben dürfen.

Wer glaubt, dass sich ein Unverständnis aufgrund der Kontaktsperre entwickelt, irrt. Dankbarkeit und Mut Zuspruch von Seiten der Angehörigen! Verständnis für die Lage und Schwelgen in Erinnerungen, dass man schon ganz andere Dinge gemeistert hat.

Auch der Bürgermeister Jörg Oppitz rief an, bot Hilfe, Unterstützung und Rat an! Herr Poleratzki vom Seniorenbeirat initiiert eine Nähaktion mit Krakower Rentnern aus Stoffen der Kleiderkammer für textile Masken. Natürlich kochbar bei 60-90° und dreilagig. Aber dazu noch individuell und einmalig. Unsere Kollegin hat schon lustige und vor allem nachhaltige Modelle für uns gezaubert.

Es ist Tatsache, dass wir das Ende dieser Krise herbeisehnen, wir wollen wieder raus und uns am Frühlingswetter erfreuen und unsere Feste feiern, Freitag unseren Chor erleben und Donnerstag endlich wieder kegeln, aber tatsächlich haben wir auch gelernt und wachsen daran.

Wir schätzen einander, die Arbeit des Anderen, lassen Fünfe gerade sein und wissen ab heute einmal mehr, dass unsere Bewohner in Zeiten der reduzierten Bürokratie durch die Lockerung unserer Prüfgremien endlich auf Ihre Kosten kommen.

Trotz der körperlichen Entfernung die uns auferlegt ist und der Schutzmaßnahmen, die auch Unsicherheit schüren, sind wir uns so nah wie selten zuvor.

Mit der Hoffnung, dass wir verschont bleiben, aber der Gewissheit, dass es vielleicht doch passieren kann, leben wir im Moment endlich wieder unseren Beruf aus...

Ein Dank an die Gemeinde Krakow am See, den MA der AWO und vor allem ein Dank an die Bewohner und die Angehörigen die nicht klatschend am Fenster stehen, sondern uns mit Verständnis, Zuspruch und einem dankbaren Lächeln am Haupteingang mit Mundschutz und Handschuhen, jeden Tag ein Stück begleiten.

Susanne Schulze
Pflegedienstleitung


AWO Pflege gGmbH
Seniorenpflegeheim „Krakow am See“

Fotorechte: Melinda Bindrich

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