Die Teilnehmer des Regionaltreffen Nord in Oldenburg
Regionaltreffen Nord: Teilnehmer aus MV: v.l.n.r. Michael Bauer, Paul Wilhelms, Julien Radloff, Christina Sonnenschein, Inge Höcker, Sven Klüsener, Susanna Harms, Max Günther

Regionaltreffen Nord

 

Am 4. November 2017 begann mit dem Regionaltreffen Nord in Oldenburg das erste von vier Treffen im Rahmen des Prozesses zum neuen Grundsatzprogramm. Die AWO hat sich dazu schon vor zwei Jahren auf den Weg gemacht. Die AWO … Info: sprach mit Marius Mühlhausen, Referent für Grundsatzfragen beim AWO Bundesverband.

Marius Mühlhausen Referent für Grundsatzfragen AWO BundesverbandMarius Mühlhausen Referent für Grundsatzfragen AWO Bundesverband

Herr Mühlhausen: viele Gremien, im vergangenen Jahr eine Sozialkonferenz, jetzt der Auftakt der Regionaltreffen hier in Oldenburg. Warum diese Breite, warum diese aufwendige und langfristige Debatte über das neue Grundsatzprogramm?

Für uns war von Beginn an klar, dass es nicht nur darum gehen kann, am Ende ein Dokument zu verabschieden. Vielmehr ist der gesamte Prozess von der Überzeugung getragen, dass das neue Grundsatzprogramm nur Identifikation stiften kann, wenn es uns gelingt, dass unsere Mitglieder, Mitarbeitenden und Interessierte über dessen Inhalte diskutieren. Auch heute konnte man in den Gruppendiskussionen sehen, wie unterschiedlich die Meinungen sind und wie vielfältig unser Verband ist. Was uns eint ist der unbedingte Wille, ein zukunftweisendes Programm zu entwickeln, hinter dem alle stehen. Doch um dahin zu gelangen, braucht es einfach Zeit.

Ein Punkt sind dabei die Grundwerte der AWO, knapp 100 Jahre alt. Kann man die eigentlich nicht schon abheften?

(lacht) … Das wäre natürlich schön und unser Ziel bleibt, dass unsere Grundwerte irgendwann in unserer Gesellschaft selbstverständlich sind und gelebt werden. Aber das ist mitnichten der Fall. Wenn wir heute nur auf die zunehmende Ungleichheit schauen, dann wird deutlich, wie wichtig es ist, dass wir unsere Vorstellung von Gerechtigkeit in die Gesellschaft tragen. Für uns bedeutet Gerechtigkeit immer auch Umverteilungsgerechtigkeit. In einem so wohlhabenden Land kann es nicht nur darum gehen, Wohlstand zu generieren, sondern wir müssen immer auch über die Verteilung des Wohlstands sprechen.

Sie haben hier auf dem Regionaltreffen die zunehmende Individualisierung in unserer Gesellschaft kritisiert. Warum?

Die Individualisierung hat viele befreiende Effekte für den einzelnen Menschen gehabt, was ich kritisiere ist, dass daraus nun oft der falsche Schluss gezogen wird. Es gibt zunehmend Stimmen, die uns glauben machen wollen, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der jede und jeder seines eigenen Glückes Schmied sein kann und jeder am besten sich selbst der Nächste ist. Ich denke, es ist Aufgabe der AWO hier eine Gegenerzählung anzubieten, die die Kraft der Gemeinschaft und der Solidarität betont.

Die AWO als Wertegemeinschaft, Mensch und Gesellschaft, soziale Ungleichheit, Daseinsvorsorge oder die Vision für eine Gesellschaft in Vielfalt. Das sind nur einige Diskussionspunkte im Grundsatzprogramm. Wie gelingt es, dass es nach 2019 nicht nur ein bedrucktes Stück Papier ist?

Nach der Verabschiedung kommt es darauf an, dass wir die Menschen für unsere Botschaften gewinnen. Im Kern zeigt unser Programm doch eines: eine gerechte Gesellschaft ist möglich. Wer unsere Grundwerte teilt, der ist herzlich eingeladen mit uns zu ziehen. Wenn wir diese Haltung im Anschluss leben, dann kann aus dem Programm eine Bewegung erwachsen.

Fotos: AWO Landesverband