Liebe Freundinnen und Freunde,
die soziale Arbeit, die wir leisten, ist in ihrem Kern Beziehungsarbeit, die ohne Orientierung an Menschenbildern und Grundwerten nicht verantwortlich erbracht werden kann. Als Marie Juchacz und ihre Mitstreiterinnen 1919 die AWO ins Leben riefen, dachten sie ganz sicher nicht daran, ein großes Dienstleistungsunternehmen zu gründen. Sie wollten eine Organisation, die sich um Sozialpolitik kümmern sollte, doch die Notlage nach dem 1. Weltkrieg musste zwangsläufig zur praktischen sozialen Arbeit führen. Die Grundidee der AWO stellte damit von Anfang an eine vom demokratischen Geist und Humanismus geprägte Wohlfahrtspflege dar.
Im Augenblick arbeiten wir daran, ein Denkmal für Marie Juchacz in Berlin aufzustellen. Darauf werden wir die Grundwerte der AWO schriftlich dokumentieren: Solidarität, Toleranz, Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit. Marie Juchacz war eine großartige Frau, die wichtige Ideen vorangebracht hat, die heute immer noch für uns gültig sind. Wenn sie die AWO in ihrer Vielfalt und Größenordnung heute sehen würde, wäre sie überrascht, was aus ihrem Wirken entstanden ist.
Heute wirken wir als Arbeiterwohlfahrt in fasst sämtlichen Lebensbereichen. 2015 waren 215.000 Menschen für die AWO in Deutschland tätig. Die Anzahl der Mitarbeiter wächst ständig und dieser Trend setzt sich fort. Das heißt, wir sind quantitativ gut aufgestellt und können uns auch qualitativ sehen lassen. Wir tragen eine große Verantwortung, denn es geht faktisch immer ums Geld und wir müssen uns auch mit den transatlantischen Aspekten beschäftigen, denn TTIP könnte unsere einzigartige soziale Daseinsvorsorge in Deutschland einschränken.
Solidarität, Toleranz, Freiheit,
Gleichheit und Gerechtigkeit.
Bei unserer Arbeit spielt das Ehrenamt eine große Rolle. Ohne ehrenamtliche Strukturen können und wollen wir unsere hauptamtliche Arbeit gar nicht leisten. Wir sind nicht nur eine Dienstleistungsgesellschaft, sondern ein besonderer Verband, in dem Professionalität und Ehrenamt gemeinsam wirken. Deshalb haben wir in den 90er Jahren mit unseren Leitbildern Ziele und Werte formuliert, die Grundlage und Maßstab unseres Handelns sind.
Mit diesen ethischen Grundprinzipien besitzen wir im Alltag ein notwendiges Korrektiv gegen den wachsenden Druck der Ökonomisierung auch in der sozialen Daseinsvorsorge.
Die Werte der AWO haben sich seit ihrer Gründung nicht verändert. Die Rahmenbedingungen haben sich aber angesichts der aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen vor allem in Bezug auf die Integration der vielen geflüchteten Menschen verschärft. Da schließt sich der Kreis zu Marie Juchacz. Auch sie hatte 1933 aus Nazideutschland fliehen müssen, über drei verschiedene Länder, bis sie in den USA sicheres Asyl fand und schließlich 1952 nach Deutschland zurückkehren konnte.
Mit besten Grüßen
Wolfgang Stadler
Wolfgang Stadler,
Vorsitzender des Vorstandes
AWO Bundesverband